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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 28.02.2007
Aktenzeichen: 1 Ss 97/06
Rechtsgebiete: StGB, StPO
Vorschriften:
StGB § 47 Abs. 1 | |
StGB § 185 | |
StPO § 354 Abs. 1 a Satz 1 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
1 Ss 97/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Strafsache
wegen Beleidigung
hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts in der Hauptverhandlung vom 28. Februar 2007, an der teilgenommen haben:
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 1. August 2006 wird als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die ihm darin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Potsdam verurteilte den Angeklagten am 26. April 2005 wegen Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von neun Monaten. Auf die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landgericht unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Festsetzung einer Geldstrafe anstelle der verhängten Freiheitsstrafe anstrebt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat im Termin zur Revisionsverhandlung beantragt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige, auf den Rechtsfolgenausspruch des Berufungsurteils beschränkte, Revision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der vom Landgericht getroffene Schuldspruch der Beleidigung (§ 185 StGB) ist im Hinblick auf die wirksame, in der Revisionsbegründung im Verteidigerschriftsatz vom 26. September 2006 namens und in Vollmacht für den Angeklagten erklärte Beschränkung der Revision in Rechtskraft erwachsen. Nach den insoweit für den Senat bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts traf der Angeklagte am 3. September 2004 am Hauptbahnhof Potsdam auf die auf einer Bank sitzende Geschädigte, die gerade dabei war, ihre damals sechs Monate alte Tochter zu füttern. Der Angeklagte blieb stehen, betrachtete das Kind, das anders als seine hellhäutige Mutter schwarze Hautfarbe hat, und fragte die Geschädigte mit Blick auf das Kind, ob sie noch nie etwas vom "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" gehört habe. Dabei erläuterte er, dass dieses Gesetz dem Grunde nach fort gelte, jedoch aus völkerrechtlichen Gründen derzeit nicht durchgeführt werde, und dass er sich dafür einsetze, dass es Geltung erhalte. Bei der Geschädigten stellte sich nach diesen Ausführungen der Eindruck ein, dass der Angeklagte die Daseinsberechtigung ihrer Tochter in Zweifel zog, und sie verlangte von ihm, u.a. mit den Worten "Du Nazi, lass mein Kind in Ruhe!", damit aufzuhören. Der Angeklagte jedoch redete ohne hierauf einzugehen weiter auf sie ein. Die Ausführungen des Angeklagten wurden von einer älteren Dame wahrgenommen, die ebenfalls auf der Bank saß und der Geschädigten riet, den Angeklagten zu ignorieren. Ferner wurde der Zeuge...., der die in Tränen aufgelöste Geschädigte wahrnahm, auf das Geschehen aufmerksam und forderte den Angeklagten auf, die Geschädigte in Ruhe zu lassen. Daraufhin fragte ihn der Angeklagte, ob er das betreffende Gesetz kenne und sprach mit Blick auf das Kind der Geschädigten von "Rassenschande".
2. Die Urteilsausführungen zum Rechtsfolgenausspruch sind insofern rechtfehlerhaft, als sich die Strafkammer nicht in der gebotenen Weise mit den für die Verhängung von Freiheitsstrafen unter sechs Monaten geltenden Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB auseinandergesetzt hat. Da die vom Landgericht verhängte Rechtsfolge nach dem festgestellten Sachverhalt jedoch angemessen ist, sieht der Senat in Übereinstimmung mit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO von einer Aufhebung des angefochtenen Urteils ab.
a) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung sind die Ausführungen der Berufungsstrafkammer zur Strafzumessung im Übrigen frei von Rechtsfehlern. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht strafschärfend gewürdigt hat, dass der Angeklagte - wenn auch nicht einschlägig - zweifach vorbestraft ist, mit seinen "verhetzenden" Äußerungen nicht nur die Ehre der Mutter und die Menschenwürde des Kindes, sondern auch die Menschenwürde aller Bevölkerungsteile mit "gemischter Herkunft" angegriffen hat und dabei "eines der schlimmsten Unrechtsgesetze der nationalsozialistischen Willkürherrschaft" auf das Kind der Geschädigten anzuwenden suchte. Dem steht - anders als die Verteidigung meint - insbesondere nicht entgegen, dass sich der Angeklagte im Hinblick auf die von ihm vertretene "Weltanschauung des Nationalsozialismus" auf die durch Art. 4 GG geschützte Bekenntnisfreiheit beruft. Denn die Verfassung schützt die Ideologie des Nationalsozialismus, die mit Schaffung des Grundgesetzes gerade überwunden werden sollte, nicht. Auch verkennt die Revision, dass Art. 4 Abs. 1 GG das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern das Grundrecht solchen Beschränkungen unterworfen ist, die sich aus der Verfassung selbst ergeben (vgl. BVerfG NJW 1995, 2477, 2479). So verstößt das vom Angeklagten für gut befundene "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" vom 15. September 1935 (RGBl. 1935 I S. 1146 f.), mit dem der damalige Gesetzgeber das Strafrecht in den Dienst der nationalsozialistischen Rassenideologie gestellt hatte, eklatant gegen die heute geltende Verfassung des Grundgesetzes, nämlich gegen den tragenden Grundsatz der Rechtsgleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das in Art. 1 GG verankerte verfassungsrechtliche Leitprinzip der Menschenwürde, den höchsten Rechtswert, der den Mittelpunkt des Wertsystems des Grundgesetzes bildet und mit dem der Verfassungsgeber nachdrücklich gerade auf die Menschenverachtung des Nationalsozialismus reagiert hat. Im Übrigen verkörpert dieses Gesetz den Paradefall der sog. "RadbruschŽschen Formel", weil die darin getroffenen Regelungen so schwerwiegend gegen die elementaren Gebote der Gerechtigkeit und gegen völkerrechtlich geschützte Menschenrechte verstoßen, dass damit die allen Völkern gemeinsamen, auf Wert und Würde des Menschen bezogenen Rechtsüberzeugungen verletzt werden, so dass ein derartiges, unter der Herrschaft des Nationalsozialismus existierendes positives Recht der Gerechtigkeit weichen muss (vgl. Gustav Radbruch, Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: Süddeutsche Juristenzeitung 1, 1946, Nr. 5, S. 105 - 108; nachgedruckt in: Gesamtausgabe Radbruch, hrsg. von Arthur Kaufmann, Heidelberg 1990, Band 3, S. 83 - 93; vgl. hierzu auch BGHSt 41, 101 ff).
Das Landgericht hat auch zutreffend berücksichtigt, dass dem Angeklagten ausweislich seiner die Tat verharmlosenden Entschuldigung mit dem Hinweis, "dass er sich mehr als die Mutter Gedanken um die gemischte Herkunft des Kindes gemacht habe", Unrechtseinsicht fehle.
Ein Verhalten des Täters nach der Tat, insbesondere im Strafverfahren gegen ihn, ist strafschärfend zu werten, wenn es - wie hier - trotz der dem Angeklagten zustehenden Verteidigungsfreiheit auf Rechtsfeindschaft, seine Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche hinweist oder andere mit der Tat zusammenhängende ungünstige Schlüsse auf seine Persönlichkeit zulässt (vgl. BGH NStZ 1981, 257 m.w.N.). Sowohl die hier deutlich zu Tage tretende rechtsfeindliche Gesinnung als auch die Gefahr künftiger Rechtsgutsverletzungen sind - insbesondere auch im Hinblick auf die als Drohung wirkende Einlassung des Angeklagten, "man müsse sich (...) Gedanken darüber machen, was mit den in Deutschland lebenden Ausländern und deren Kindern passiere", wenn sich die politischen Verhältnisse einmal "änderten" (UA 5 Abs. 3) - durch die geäußerte, in oben genannter Weise eingeschränkte "Entschuldigung" entgegen der von der Verteidigung vertretenen Auffassung nicht ausgeräumt.
b) Das angefochtene Urteil setzt sich nicht ausreichend damit auseinander, dass gemäß § 47 Abs. 1 StGB kurzzeitige Freiheitsstrafen nur dann verhängt werden dürfen, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, einen solchen Strafausspruch zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Der Rechtsfehler führt jedoch nicht zur Urteilsaufhebung, weil die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich und die vom Landgericht verhängte Rechtsfolge - Freiheitsstrafe von drei Monaten - nach den getroffenen Feststellungen angemessen ist (§ 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO). Dass in einer neuen tatrichterlichen Verhandlung zugunsten des Angeklagten gewichtige neue Umstände hervortreten könnten, die eine andere Entscheidung rechtfertigten, ist nicht zu erwarten.
Die Verhängung einer - an sich kriminalpolitisch unerwünschten - Freiheitsstrafe unter sechs Monaten ist ausnahmsweise dann geboten, wenn bei bloßer Verhängung einer Geldstrafe ernstlich zu besorgen wäre, dass die Bevölkerung das Vertrauen in die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung und die Durchsetzbarkeit des Rechts gegenüber dem vom Täter begangenen Unrecht verliert und dadurch das allgemeine Rechtsbewusstsein nachträglich beeinträchtigt wird (Schönke/Schröder-Stree, StGB 27. Aufl. § 47 Rdnr. 14 mit Rechtsprechungsnachweisen; vgl. BGHSt 24, 40, 44). Die Verhängung einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe muss sich bei Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweisen (BGH StV 1994, 370).
Diese Voraussetzungen liegen nach den getroffenen Feststellungen vor: Wie in der schriftsätzlichen Revisionsbegründung selbst darlegt ist, hat der Angeklagte nicht nur die Ehre der Geschädigten verletzt, sondern deren mütterlichen Gefühle durch einen das Dasein ihres Kindes betreffenden Schuldvorwurf schwerwiegend erschüttert. Darüber hinaus ist die Anspielung auf das nationalsozialistische Gedankengut der "Rassenschande" und die mit Blick auf das Kind der Geschädigten geäußerte Bekundung, dass er sich für die Fortgeltung der Rassengesetze der Nationalsozialisten einsetzen werde, geeignet, Ängste nicht nur der betroffenen Mutter, sondern der gesamten Bevölkerung zu schüren und damit Ruhe, Sicherheit und Frieden zu gefährden, ungeachtet des Umstandes, dass es hier entsprechend den zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil aufgrund der nur leise vorgetragenen und allein an die Geschädigte gerichteten Äußerungen des Angeklagten an den Voraussetzungen der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB) fehlt.
Zu berücksichtigen ist ferner die Nachhaltigkeit und Hartnäckigkeit, mit der der Angeklagte vorgegangen ist und sich auch durch das laute Rufen der Geschädigten und das Eingreifen eines Zeugen nicht von seinen verbalen Belehrungen und Zudringlichkeiten gegen die Geschädigte und ihr Kind hat abhalten lassen. Auch wenn der Angeklagte sich in gewisser Weise bei der Geschädigten entschuldigt hat, nicht einschlägig vorbestraft ist und eine bleibende psychische Schädigung der Geschädigten nicht festgestellt worden ist, verstößt die zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässliche Verhängung einer dreimonatigen Freiheitsstrafe aufgrund der tiefgreifenden, über die typischen Fälle einer Ehrverletzung im Sinne von § 185 StGB weit hinausreichenden Rechtsgutsverletzung nicht gegen das verfassungsrechtliche Übermaßverbot.
3. Die vom Landgericht bejahte Frage der Strafaussetzung zur Bewährung unterliegt im Hinblick auf das im Revisionsverfahren zugunsten des Angeklagten geltende Verschlechterungsverbot nicht der Nachprüfung durch den Senat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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